aus: www.deutschesprachwelt.de
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Morbus Amerikanismus

 

Es geht, anders als obig verlinkter Artikel populistisch suggeriert, gerade nicht darum, dem Volk aufs Maul zu schauen. Vor allem, wenn das Volk seiner kulturellen Sprachwurzeln entwöhnt und seiner Denkfähigkeit beraubt wurde. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht lässt sich dazu vielleicht kurz feststellen:

Zu allen Zeiten haben sich Sprachen Begriffe aus anderen Sprachen entlehnt (Lehnwörter), die im Laufe der Zeit entweder wieder aus dem Sprachgut herausfielen oder längerfristig bzw. sogar dauerhaft übernommen wurden. Dieser Vorgang hat u.a. damit zu tun, dass bestimmte Kulturen zu ganz bestimmten Zeiten aus politischen, sozialen oder anderen Gründen eine besonders hohe Anziehungskraft ausübten. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden.

Einzuwenden ist hingegen eine ganze Menge, wenn es lediglich darum geht, aus mediendiktatorischen Modegründen und anderen zeitgeistigen Zwängen der sog. 'Politischen Korrektheit' adäquates und teilweise sogar besseres deutsches Wortgut durch das scheinbar exotisch-moderne Vokabular angelsächsischer Begriffe verdrängen zu lassen. Dies gehört, leider nicht mehr nur in gewissen Boulevard-Kreisen, mittlerweile geradezu zum guten Ton.

Da geht es um "Events", wo die deutsche Sprache durch Begriffe wie Ereignis, Anlass, Vorstellung, Aufführung, Darstellung, Inszenierung, Ausstellung, Gastspiel, usw. viel feiner und genauer differenziert, oder um "Equipment", bei welchem das deutsche Ausrüstung, Ausstattung, Gerätschaft, etc., sowohl zutreffender als auch im jeweiligen Einzelfall viel genauer unterschiede. Und schließlich diese unseligen "Features", deren Vorstellungsinhalte - ja es sind schon fast unzählige - wir im Deutschen doch so wunderschön auseinander halten können mit Begriffen wie Merkmal, Eigenschaft, Kennzeichen, Eigentümlichkeit, Besonderheit, Charakteristikum, Spezifikum, Attribut, usw.

Vor allem im sog. Computer-'Deutsch' sind die Englischfetischisten in ihrem willfährigen Element. Da wird mit scheinbar hochtrabenden Fachbegriffen um sich geworfen im Glauben, einem auserlesenen Kreis besonders begnadeter Fachleute anzugehören. Vergessen wird dabei vorab schon die simple Tatsache, dass die meisten dieser Begriffe in der engl. Ausgangssprache überhaupt keine Fachbegriffe sind, sondern stink normale Alltagsbegriffe, die lediglich benützt werden für die mittlerweile ebenfalls zum Alltag gehörende Computerwelt. Ob 'Computer' (Rechner, von rechnen bzw. zusammenzählen) oder 'Laptop' (Klapp- oder Mobilrechner, weil er überall hin mitgenommen werden kann), 'Interface' (Schnittstelle zwischen zwei unterschiedlichen Gerätschaften, die nicht notwendigerweise mit Computern zu haben), 'User' (der Benutzer, unabhängig davon, was benutzt wird), 'Server' (Zentral- oder Dienstrechner, weil er für andere zentrale Dienst verrichtet), 'Access' (Zugang, zu was auch immer), 'Account' (Benutzerkonto, auch bei Banken), 'Download' (das Herunterladen, auch von anderen Dingen) usw., usw.; keiner dieser Begriff ist Teil einer für sich alleine stehenden Computersprache, wie das die 'denglischen' Übernahmen suggerieren.

Die Frage stellt sich: Warum benützen nicht auch wir Deutsche Wörter bzw. Begriffe aus unserer Alltagssprache - diese ist mind. genauso plastisch und sinnfällig, wie ihr englisches Pendant? Warum sagen wir nicht 'E-Nachricht' (für E-Mail) oder 'Schlaufon' (für Smartphone) oder 'Datenstift' (für USB-Stick) usw.? Dies hat scheinbar mehrere Gründe, die sich allerdings auf einen ganz typisch menschlichen zurückführen lassen:

Wenn man die Fachsprachen bzw. den sog. Jargon, wie z.B. das 'Computerdeutsch', außer acht lässt, treffen wir auf die Sprachunkultur zweier Sprachnutzergruppen: die Jugend- und die Werbekultur. Während es im Bereich der pubertierenden Halbwüchsigen darum geht, sich vom sog. Establishment abzugrenzen - es gab diesbezüglich schon immer eine eigene Jugendsprache (vgl. Sponti) -, geht es in der Werbebranche um das mittlerweile krankhafte Attraktivmachen oder Zur-Schau-Stellen von im Grunde ganz normalen Produkten, deren 'Normalität' durch sprachliche Äußerlichkeiten verdeckt bzw. verwischt werden soll. Aus der gemütlichen Gartenliege wurde zunächst die Relaxliege (von engl. 'relaxen' für entspannen) und mittlerweile der 'Lounge Chair for Gaming and Chilling', was übersetzt soviel heißt wie 'Promi-Sitzgerät oder Luxusliege für PC-Spiele und Entspannung'. Und diese Entspannung ist notwendiger denn je, denn das Leben ist 'performance'-orientiert, mit anderen Worten: Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die selber an einem krankhaften Optimierungsvirus laboriert.

Aber damit nicht genug. Das Denglish hat mittlerweile alle Sparten der deutschen Kultur unterminiert. Aus einem oberbayrischen "Gasthof Seeblick" wurde ein "Restaurant lakeside", aus "Zervelatscheiben" wurde "slices of Zervelat", aus "Begrüßungsfest" wurde "welcoming party", aus "Motorradlern" wurden "biker", aus "Schokokeksen/-gebäck" wurden "choclate cookies", aus "Hautcreme" wurde "body lotion", aus "Sportschuhen" wurden "sneakers/outdoor shoes" u.va.m., aus "Kindern" wurden "kids", aus "an-pöbeln/Pöbeleien" wurde "mobbing", aus "Krimi" wurde "Thriller" u.ä., aus einem "Schwäzchen" wurde ein "chat", aus "sich zu etc. bekennen" wurde "sich outen", aus "Schlussverkauf" wurde "sales", aus Teilbegriffen mit "Fernseher" wurden solche mit "TV" (wobei die Abkürzung noch als mögliche Verbesserung durchgehen kann), aus "Achtung - spielende Kinder" wurde eine Spielstraße mit den Warnhinweisen "Caution - children area", und so geht es weiter in die Zigtausend völlig unnötiger und geistloser Anglizismen bzw. Amerikanismen (für mehr dieser geisttötenden Begriffe siehe den Anglizis-men-Index des VDS).

Hier wie an endlos weiter aufzuführenden Beispielen wird deutlich: Man/Frau (hier der Konsument) will schick sein, sich als "up-to-date" "outen" oder als weltgewandter Polyglotte oder multilingualer Globe-trotter usw. geben und ahnt nicht, wie papageienhaft dumm man nur das nachplappert, was Tausend entgeistete Vollidioten zum Schrein sprachkultureller Erhabenheit erkoren haben. Sie alle haben nämlich nicht erkannt, das Wörter mehr sind als die Summe ihrer Buchstaben. Sie vermitteln Flair, Romantik, Sehnsucht und Tausend andere Gefühle - leider aber offenbar auch das dringliche Gefühl, den polyglotten Lebemann rauszuhängen, der in weltmännischer James-Bond-Manier Aufsehen erregt und zum gesellschaftlichen Leitbild wird. Damit sind wir bei der eigentlichen, nämlich der für alle gleichen Ursache: Mehr Schein als Sein, oder mit anderen Worten narzisstische Selbstdarstellung um jeden Preis - auch den des harmonischen gesellschaftlichen Miteinanders und der christlichen Demut, beides Werte, die mittlerweile ganz unten stehen auf der Richterskala menschlicher Bedürfnisse. Dies und manches mehr lässt sich u.a. am Gebrauch der Sprache herauslesen. 

(Mehr dazu in einem meiner kommenden Werke: "Die neue deutsche Sprachleere - Leergut ohne Pfand".)